Bevergern - Kanzel (2007) - Martin Kozielski

Hörstel-Bevergern, barocke Schmuckkanzel - Rekonstruktion der Marmor-Imitationsmalerei von 1727 - wenn Träume wahr werden:

Bevergern, Kanzelkorb Pfarrer Ludger Bügener hatte einen Traum:

Er wollte seine letzte Predigt von der frisch restaurierten barocken Kanzel im südlichen Seitenschiff der Marienkirche zu Bevergern halten. 20 Jahre hatte er der kath. Pfarrgemeinde St. Marien zu Hörstel -Bervergern vorgestanden und jährlich für diesen Traum gespart. Das Erzbistum Münster verdoppelte den angesparten Kanzeletat und so wurden Restauratorinnen 2006 damit beauftragt, eine fassungstechnische Untersuchung durchzuführen und ein Restaurierungskonzept für die Kanzel zu erstellen, deren Hauptschadensbild ein kraquelleartiges Abplatzen der oberen Fassungsschicht gewesen ist.

Wochenlang wurden an der Kanzel kleine Sichtfenster freigekratzt und dabei festgestellt, dass insgesamt 5 Fassungsphasen zu bestimmen gewesen sind. Eine spektakuläre grünfarbige Marmorfassung (2.Fassung) aus dem Rokoko fand den Gefallen der Restauratorinnen und so schlugen sie in ihrem Restaurierungskonzept vor, die drei aufliegenden Fassungen zu entfernen und anschließend die Rokokofassung zu restaurieren. Eine sehr umfangreiche Maßnahme, die der beigefügten Kostenschätzung nach, den durch die sehr aufwendig gestaltete Befunduntersuchung bereits deutlich reduzierten Etat um mehr als das Dreifache überstieg.

Ernüchtert von der Kostengewaltigkeit des Restaurierungsvorschlages, wendete sich Ludger Bügener an ein erfahrungsmäßig Etat verträglich arbeitendes Gemeindemitglied, den Inhaber einer ortsansässigen Steinrestaurierungsfirma Werner Paetzke und fragte nach, ob es nicht vielleicht bei der Kanzel eine Methode geben könnte, die sich als Etat verträglich erweisen würde.

Werner Paetzke erkannte sofort, dass der noch zur Verfügung stehende Etat ausreichte, wenn ein weniger aufwändigeres Restaurierungskonzept zur Anwendung kommen würde und wendete sich mit einer diesbezüglichen Anfrage an mich.

Da Termindruck bestand, reiste ich unverzüglich an, studierte das vorliegende Restaurierungskonzept und nahm anschließend die Kanzel in Augenschein. Hierbei stellte ich fest, dass der Schadensverursacher, ein flächendeckend aufgetragener, spannungsreicher Überzug aus den 50er Jahren, bei der wochenlangen Untersuchung übersehen worden war und fand in einer relativ kurzen Versuchsreihe heraus, dass sich der Überzug mit Alkohol problemlos entfernen ließ.

probe Durch die problemlose Entfernung des Schadensverursachers war es meiner Ansicht nach möglich, die zuvor vorgeschlagene, äußerst arbeitsaufwendige und somit kostenintensive Freilegung komplett einzusparen. Wir entwickelten daraufhin ein exakt auf den noch zur Verfügung stehenden Etat abgestimmtes Restaurierungskonzept:

Entfernung des Schadensverursachers durch Lösung
Anlegung von Sichtfenstern der Erstfassung in jedem architektonischen Gliederungselement
Risskittung mit Kreidegrund und Balsaholz
Rekonstruktion der Befundlage mit Acrylfarben und integrierten Befundstellen

Wir entschieden uns auch gegen die Rekonstruktion der spektakulären 2. Fassung, sondern plädierten für die Rekonstruktion der Erstfassung, denn auch am zeitgleichen Altar war in den 80ern die Originalfassung freigelegt und restauriert worden und der Kirchenraum sollte sich unserer Ansicht nach, in einem in zeitlicher Abstimmung erfolgten Kontext nachfolgend präsentieren.

Vorteil unserer vorgeschlagenen Methodik war neben der erheblichen Kostenersparnis auch der Erhalt von drei historischen Fassungen, die der zuvor gemachte Restaurierungsvorschlag komplett vernichtet hätte.

Johannes Endzustand Trotz anfänglicher Bedenken der zuständigen Denkmalbehörde, dass ein Wandmalereirestaurator und eine Steinrestaurierungsfirma ein hölzernes Kulturobjekt der ersten Güteklasse bearbeiten wollten, überzeugte letztendlich unser Restaurierungskonzept.

Meine gewonnenen Erfahrungswerte während der Walz in Bayern, sowie mein Vordiplom in Gemälde und Skulptur waren bei der Auftragserteilung vermutlich hilfreich, außerdem konnte ich auf eine hölzerne Barockpieta verweisen, die grade in meiner Werkstatt restauriert wurde.

Für die Arbeiten an der hölzernen Substanz wurde ein Holzrestaurator hinzu gezogen, alle fassungstechnischen Aufgabenstellungen wurden von mir und Mitarbeitern der Firma Paetzke ausgeführt.

Für die Arbeiten an der Kanzel gab es einen Zeitrahmen von knapp 3 Monaten, denn die Verabschiedung von Pfarrer Bügener war fest terminiert.

Am arbeitsaufwendigsten erwies sich die Abnahme des spannungsreichen Überzugs. Die Rekonstruktion der originalen Marmorfassung an der Kanzel wurde in vier Wochen bewerkstelligt. Die fünf Wendelsäulen wurden beispielweise an einem Vormittag in vierfachem Lasurauftrag gefasst.

Der letzte Pinselstrich erfolgte einen Tag vor Pfarrer Bügeners Verabschiedung, begleitet von Beethovens 9. Sinfonie und genau bei der Textpassage:

.....Ahnest du den Schöpfer, Welt? - Such' ihn überm Sternenzelt! - Über Sternen muß er wohnen.

Nachträge wurden übrigens nicht gestellt.

Der Verabschiedungsgottesdienst wurde sehr feierlich veranstaltet, gleich mehrere Weihbischöfe kamen zur Kanzelsegnung angereist und Pfarrer Ludger Bügener hielt anschließend seine letzte Predigt von der nun in ihrem ursprünglichen Glanz wieder erstrahlenden Kanzel.

Die frisch restaurierte Schmuckkanzel zierte am nächsten Tag die Titelseite der Ibbenbürener Volkszeitung (IVZ) als Farbfotografie.

PS: Nicht nur für Pfarrer Bügener erfüllte sich im Herbst 2007 ein Traum, auch ich habe mir seit meiner Zeit in Bayern gewünscht einmal eine Kanzel oder einen Altar dieser Größenordnung mit Marmormalerei schmücken zu dürfen.